Abflug

So, Abflug, sagte Frau Taube zu sich selbst. Noch heute Nacht würde sie ins Flugzeug steigen, dass sie nach Süden brachte, in das Land ohne Gartenzäune und ohne Hoftore, in das Land, in dem die Leute morgens lächelten und abends beim Wein auf den Straßen zusammen saßen.
Sie hatte das Schlüsselbund ihrem Nachfolger, Herrn Hase gegeben. Ab Morgen würde er mit dem gelben Postwagen die Runde machen. Er war jung und kräftig, konnte den Wagen mit Leichtigkeit schieben. Sie hatte gesehen, wie er herum sprang, wie sich die Muskeln an seinen Schenkeln spannten bei jedem Schritt. Ihre Schritte hingegen waren kleiner und kleiner geworden von Tag zu Tag. Dreißig Jahre lang war sie jeden Tag den gleichen Weg gegangen. Jeden Tag hatte sie die schweren Hoftore aufgeschlossen und die Post in die Briefkästen geworfen. Jetzt trippelte sie nur noch wie ein Vögelchen im Gras. Jetzt wollte sie ausruhen, die Füße still halten. Vielleicht schrieb sie ja mal ne Karte. Sie hatte es den Kollegen versprochen, irgendwann, nicht gleich.
Der Herr Hase war da ganz anders. Der würde ihr bestimmt schon morgen schreiben. Liebe Frau Taube, würde er schreiben, ich habe die Runde gemacht, Ihre Runde und ich weiß gar nicht, warum Sie immer so seufzten, ehe sie losgingen und stöhnten, wenn Sie zurück kamen.  Es ist doch wirklich nichts dabei. Ja, so würde er schreiben: wirklich nichts dabei. Und weiter würde er schreiben: Nicht einmal am Fuchsbau drohte Gefahr, die Eltern waren aus und die jungen Füchse spielten vor dem Bau.  Er hätte Buh gerufen, würde er schreiben da wären sie erschrocken – hopp – hopp – hopp – in den Bau.
Hopp – hopp – na, der würde sich noch wundern. In ein, zwei Monaten würden sie buh machen, die Füchse, die Halbstarken dann und er würde – Hopp – hopp – davon. Jahr für Jahr war es ihr so ergangen mit der Fuchsbrut. Aber das war nun vorbei.