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eine Art Anbaugebiet

In den Schneewehen

Fortsätze angeregt durch die Mutter von Peter Grosse

Woher rührte das fahle Licht? Schien es fahl durch jene Müdigkeit? Herr Koffer öffnete die Augen und sah nichts durch die Decke, die sich ganz über ihn gelegt hatte. Er erinnerte, dass das Licht der Hochebene ihm bei seiner Ankunft lichter und länger geschienen hatte als in den tieferen Ebenen. Doch vielleicht war dies Leuchten nichts als Schein und es war in Wahrheit fahl. Herr Koffer könnte die Decke weg schlagen. War sie die Müdigkeit in der Müdigkeit? Lag er immer noch im Schlaf des Schlafes? Träumte er im Traum? War all das ein Koffer im Koffer im Koffer im Koffer… . Herr Koffer fuhr auf. Er ging zu der Truhe, wo er den Aktenkoffer, den Geigenkoffer und den Kofferkoffer abgestellt hatte. Alles war noch da und unverrückt. Er stellte den Kofferkoffer auf den groben Holztisch, öffnete ihn und streckte die Hand in sein Inneres. Jetzt wusste er, dass er wach war. Die Flöhe bissen. Sie waren hungrig. Wie lange hatte er geschlafen? So lange, dass die Flöhe sehr hungrig geworden waren, aber es waren deutlich weniger Bisse als sonst. Viele Flöhe waren gestorben, während er geschlafen und geträumt hatte. Schlaf und Traum. Was war das Gegenteil? Gleich, dachte Herr Koffer, auch das Gegenteil hätte am Tod nichts geändert. Doch blieb der Konjunktiv und Herr Koffer horchte in sein Inneres. Still. Es war still dort. War auch der Floh in seinem Ohr tot oder schwieg er oder schlief er oder träumte? Es gab so viele Möglichkeiten und Fragen. Herr Koffer stellte sich vor, dass der Floh aus seinem Panzer geflossen war wie der Mensch aus seiner Maschine. Dann würde er jetzt für immer in ihm kreisen. Und: Herr Koffer trüge sein Leben einen Chitinpanzer in seinem Innern.

– Das ist also in Wirklichkeit Ihr Name?, fragte Orhan.

Er musste schon eine Weile am anderen Ende des Tisches im fahlen Licht gesessen haben und wedelte mit Herrn Koffers Brieftasche und seinem Ausweis.

– Was und wo ist die Wirklichkeit? Das da ist nichts als ein Ausweis., sagte Herr Koffer.

– Aber ein Mensch hat ihn ausgestellt. Wie haben Ihre Eltern Sie gerufen?, fragte Orhan.

– Ich hatte Erzieher;- keine Eltern.

– Erzieher? Und wie haben sie Sie gerufen. Und Freunde?

– Herr Koffer. Ich heiße Herr Koffer;- Für den Anfang.

– Für den Anfang? Das ist gut. Herzlich Willkommen Herr Koffer. Kommen Sie, ich will Ihnen etwas zeigen. Aber ziehen sich warm an.

Herr Koffer nahm den Geigenkoffer.

– Nein nein, sagte Orhan, die Truhe, in der Truhe liegen Ihre Kleider für die nächste Zeit.

Da war sie wieder, die nächste Zeit. Vielleicht ist die nächste Zeit, näher als ich denke, dachte Herr Koffer.

Warm angezogen verließen beide das Haus. Im Freien sah Herr Koffer, was er bei seiner Ankunft gerochen hatte. Der Grund aus dem er bleiben würde und der Grund aus dem das Licht fahl schien. Schnee. Eine dichte Decke Schnee lag über der Hochebene. Vor allem türmte sie sich hoch um das Haus, dass es im Sonnen- wie auch im Mondschatten liegen musste. Orhan hatte offensichtlich Wege der nächsten Zeit geschaufelt, die sie hintereinander durchliefen. Die nächste Zeit, war schmal und lief im Kreis. Vielmehr in Kreisen. In Kreisen, die sich immer enger umeinander zogen. Ein weißes Labyrinth. Heimatgalxie, dachte Herr Koffer während sie durch die schmale Zeit liefen, und Milchstraße.

– Wir liegen in den Scheewehen., sagte Orhan.

– Wie lange?, fragte Herr Koffer.

– Sie haben drei Nächte und drei Tage geschlafen.

– Nein, ich meine die Schneewehen.

– Den Oktober eingerechnet gute acht Monate.

– Das sind lange Wehen., sagte Herr Koffer.

– Nun, es gibt einiges, was in dieser Zeit reifen muss und das ist mitunter schmerzhaft. Doch diese Zeit ist nichts im Gegensatz zur Reifezeit der, der sie gleich gewahr werden. Wir sind angekommen., sagte Orhan.

Sie standen vor einem großen Baum. Groß meinte keine besondere Höhe. Groß meinte keine besondere Ausdehnung. Groß meinte eher etwas wie Anmut. Der Baum schien goldene Nadeln zu tragen. Die, die auf der Schneedecke lagen, schienen orange. Der Baum trug keine Früchte. Keine Zapfen.

– Was sagen Sie?, fragte Orhan.

– Baum., sagte Herr Koffer.

– Und weiter?

– Stamm.

– Und?

– Baumstamm.

– Jetzt sind wir der Zeit schon näher. Sehen Sie, wie sie sich verzweigt und verjüngt an den Enden?

– Hm.

– Das ist, was wir wahren im Valetta di Ventura.

– Bäume?

– Ja, so ähnlich. Eine Art Stammbaum. Was sehen Sie nicht?

– Die Wurzeln.

– Sehr gut. Das ist, was wir hier suchen, sammeln, säen, pflanzen und pflegen. Unsere Wurzeln. Sprache, Herr Koffer. Sprache und ihre Familien. Sprachfamilien und die Sprache der Mutter, Muttersprache Herr Koffer, verstehen Sie? Muttersprache. Und diese Lärche ist ihr Zeichen. Unser Zeichen. Wir nennen sie Große Mutter. Ein jeder in seiner Sprache. Wir wollen wahren, was vom aussterben bedroht ist. Sprachen, die sterben. Familien, die weiterreichen, weiter als Mutter, Vater, Kind.

– Woher haben Sie meine Brieftasche?, fragte Herr Koffer.

– Ich habe Ihr Koffermobil dahin gebracht, wo es niemand findet. Es konnte schlecht auf der Straße stehen bleiben, der Straße ins Valetta di Ventura, auch wenn nur jene diese Straße finden, die sie finden sollen. Man weiß nie.

– Ja, man weiß nie. Was ist mit Sprachen, die noch nicht geboren sind?, fragte Herr Koffer.

– Die können wir nicht bewahren. Aber ich habe Ihren Hutkoffer aus dem Koffermobil geborgen und hier herauf gebracht. Sie können Ihren Zylinder wieder hinein tun, wenn Sie Ihre Aufzeichnungen an geeigneter Stelle aufbewahren. Den Geigenkoffer halte ich für ausgezeichnet. Lassen Sie uns wieder ins Haus gehen.

Sie gingen die Kreise rückwärts, die sich nun in dieser Richtung dehnten. Herr Koffer hatte seine Mundharmonika hervor geholt und spielte ein Stück. Aus dem Bauch heraus.

– Die Große Mutter mag Ihre Musik., sagte Orhan.

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