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eine Art Anbaugebiet

Paula

Das kleine Paula-Ferkel wurde nicht artgerecht gehalten. In einer Wohnung am Prenzlauer Berg mußte es sein schmutzloses Dasein fristen.

Teppiche, Geschirr und vor allem die Hausherrin machten ihm das Leben zur Qual. Wie sehnte es sich danach, nach Herzenslust in die Ecke oder auf den Tisch scheißen zu dürfen. Doch nicht einmal die Hinterbeine durfte das Paula-Ferkel auf den Tisch legen.

Nur Bommel, der aller Liebling war, durfte all das: auf dem Tisch laufen, seine Exkremente dort fallen lassen, wo es ihm beliebte… Kurz, das fette, ekelhafte Meerschwein durfte alles, was das Paula-Ferkel nicht durfte. Das Paula-Ferkel haßte das Meerschwein.

„Wieso eigentlich Meerschwein“, sagte es sich, „ich kann noch viel mehr Schwein sein.“

Und es machte sich daran, dieses in die Tat umzusetzen. Nichts, was es benutzte wurde weggeräumt, es wusch sich nicht, und wo es sich sühlte, wo es lagerte schwebte der Pesthauch fortgeschrittener Verwesung. Darauf angesprochen grunzte es nur Gemeinheiten in den Raum und rülpste und furzte dazu. Die Hausherrin war sehr geduldig: „Das ist nur eine Phase“, sagte sie, „das gibt sich wieder.“

Aber es gab sich nicht, sie kam mit dem Aufräumen gar nicht mehr hinterher.

Das Paula-Ferkel freute sich, kümmerte sich doch jetzt keiner mehr um das Meerschwein. „Mehr Schwein bin ich“, sagte es und schiß auf den Küchenboden, der eben gewischt worden war.

Eines Abends, die Hausherrin putzte noch in der Stube, näherte sich das Paula-Ferkel dem Kasten, in dem das Meerschwein untergebracht war. Ängstlich quiekte Bommel, als er das Ferkel bemerkte, welches sich grunzend und schniefend über ihn beugte. Und es stank entsetzlich. Bommel schien es, als müsse er sofort ersticken. Gierig blinzelten Paulas Schweinsäuglein, der schokoladenverschmierte Rüssel sog förmlich an Bommel, der noch einmal schrie, bevor er bewußtlos zusammenbrach.

Die Hausherrin, die es nur noch dem Namen nach war, wusch inzwischen Wäsche in einem großen Zuber: Hosen, Bettwäsche, und Pullover, alles mehr oder weniger mit Schokolade und Exkrementen beschmiert. Berge davon türmten sich noch in Bad und Küche, alles von einem einzigen Tag.

„Wie gut, daß das Paula-Ferkel jetzt mit Bommel spielt“, dachte sie sich, „so kann es nicht viel verunreinigen oder kaputtmachen.“

Und sie ging zur Höhle des Paula-Ferkels. „Eigentlich ist es ja doch lieb, wie still es jetzt ist“, und sie öffnete die Tür. Furchtbarer Gestank schlug ihr entgegen. Ätzende Schwaden umnebelten sie und nahmen ihr Sicht und Atem. Ihrer Sinne fast beraubt suchte sie sich den Weg zwischen Essensresten, kaputten Möbeln und Spielzeug hindurch, dabei immer wieder auf glitschigen Haufen ausgleitend. Fäulnisgase waberten phosphoreszierend im Raum; nur ganz hinten am Lager des Ferkels glühten rot und wild zwei Äuglein. Umrisse zeichneten sich ab, auf einmal war es klar.

Das Ferkel hielt das Meerschwein zwischen den Zähnen und zischte: „Jetzt mach‘ ich dich fertig, du bist an allem schuld!“ Seine Kiefer malmten ein wenig an Bommel und Paula zischte wieder: „Wenn hier einer kackt, dann bin ich das“, und dann krachten die Knochen des kleinen Meerschweins in Paulas Rachen.

Die Hausherrin hatte den Vorgang in einem Zustand der Lähmung beobachtet, nun aber ergriff sie den erstbesten Gegenstand und hieb damit auf die Schwarte des Ferkels ein, bis es Bommel fallen ließ und quiekend die Flucht ergriff.

Den geschundenen Körper Bommels in den Händen wankte sie aus der Höhle. Tränen liefen ihr über die Wangen, mit zitternden Händen wählte sie eine Telefonnummer.

Die herbeigerufenen Helfer ließen nicht lange auf sich warten. Ein Mann und eine Frau, beide im weißen Kittel taten das, was vom Meerschwein noch übrig war, in einen mit Watte ausgelegten Kasten, verschlossen ihn sorgfältig und verließen die Wohnung.

Die Männer mit den Gummistiefeln und gestreiften Hemden hatten es da schon schwerer: das Paula-Ferkel hatte den Kühlschrank umgeworfen und vor die Küchentür gewälzt. Während man draußen nach einer Axt suchte, um die Tür aufzubrechen, fraß es hier und dort ein wenig, was es selbst nicht fressen wollte, besudelte es mit Urin. Den beiden Männern war es inzwischen gelungen, in die Küche einzudringen. Einem biß das Ferkel noch in den Arm, bevor der andere ihm die Schlinge um den Hals legte.

Bommel, das Meerschwein hinkte noch etwas, als es aus der Tierklinik entlassen wurde.

Es machte aber nicht viel aus, denn es fuhr in einem Auto mit der Hausherrin und derem Freund in den Urlaub, während sich Paula lustig an einem Spieß drehte.

 

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