Was von sieben Feigen bleibt…
…oder der Konjunktiv ist ein Same
Fortsätze inspiriert durch das Gipfelkreuz von Peter Grosse und andere Beiträge
– Orhan?
– Ja?
– Was ist meine Arbeit?
– Nun zuerst einmal heizen Sie die Kochmaschine an. Schüren Sie die Glut mit dem Feuerhaken, werfen Sie ein paar Scheit hinein und schmelzen den großen Topf voll Schnee. Es wird Zeit, dass wir Sie gründlich reinigen, sonst beißen nicht einmal mehr die Flöhe.
– Die Flöhe beißen nicht mehr.
– Das tut mir Leid, Herr Koffer.
– Hm. Sie haben wohl alle nach und nach den Gipfel erreicht. Einer unter ihnen war ein geborene Vorsteiger und die anderen stiegen nach. Diese Seilschaft ist ihr größtes Kunststück.
Herr Koffer hob den Kopf und zum ersten Mal sah er Orhan lange in die Augen. Seinem Gegenüber stand er Gleiches zu.
– Er ist größer geworden und wir leben jetzt gemeinsam im Innenohr eines Berges., sagte Herr Koffer
– Ich nehme das als Kompliment, sagte Orhan.
– Das ist es.
Die Männer lachten ein sonderbares Lachen. Herr Koffer ging in die Hütte und tat, was Orhan ihn geheißen hatte. Er heizte die Kochmaschine an und wunderte sich über das Wort;- Maschine. Sie mochte dem Herd nicht passen. Trug sie doch einzig Holzfeuer in ihrem Innern, das wärmte und allerlei vermochte. Sie bewegte mit ihrem inneren Feuer und wurde nicht gelenkt wie die Maschine in seinem Traum. Im Augenblick schmolz sie Schnee. Währenddessen holte Herr Koffer den Geigenkoffer und den Hutkoffer hervor. Ihren Inhalt breitete er auf dem groben Holztisch aus. Bevor er den Zylinder in den Hutkoffer tat, strich er über die Beule. Sie brach den schwarzen Glanz des Zylinders und Herr Koffer sah die rothaarige Fremde auf einem der gezackten Gipfel gegenüber stehen. Sie trug einen weißen, leichten Sommerhut und ein ebensolches Kleid. Alles an ihr schien aus feinem Textil gewebt. Doch sie trug schwer an etwas, dem er nicht gewahr wurde. Plötzlich ließ sie alles Schwere los, hob den Kopf und winkte zu ihm herüber. Der Wind ergriff die fein gewebte Gestalt und trug sie davon. Vielleicht, dachte Herr Koffer, trug sie deshalb all dies Schwere an sich, dass der Wind sie nicht hin und her tragen tragen konnte. Mal hier und mal dorthin. Mal hoch hinauf und dann wieder tief hinab, nur um sie wieder hinauf zu holen. Aber irgendwann würde der Wind nachlassen und sie würde auf einem Flecken Erde landen. Wie das Schirmchen einer Pusteblume hatte sie auf dem Gipfel gestanden und jene leichte Schwere würde sie irdendwo erden. Herr Koffer tat diesen Same, seinen Tagtraum samt Zylinder in den Hutkoffer und verschloss ihn. Er wünschte sich, irdendwo würde hier diese Hochebene sein oder das nahe Tal, das durch den Schnee soweit entfernt schien. Doch jederzeit konnte er den Hutkoffer wieder öffnen und ein paar Tagträume hervor zaubern, bis der Schnee geschmolzen war.
Herr Koffer besah sich die paar Schriftstücke, die er dem Hutkoffer entnommen und auf dem Tisch verteilt hatte. Er wusste nicht wann oder warum es ihn getrieben hatte, etwas zu Papier zu bringen. Er wusste nur woraus er schrieb. Aus Einsamkeit und vielleicht würde es eine Zeit geben, in der er nicht mehr einsam sein würde. Diese Zeit war ein Konjunktiv. Aber immerhin, dachte Herr Koffer, besser als gar keine Zeit zu haben, auch wenn sie aus Wünschen, Träumen und Hoffnung gewebt war und in drei vertrockneten Feigen auf dem Tisch vor ihm lag;- zum Greifen nah.
– Der Schnee kocht schon. Wir wollen doch keinen abgebrühten Herrn Koffer aus Ihnen machen, wir wollen Sie nur gründlich waschen., sagte Orhan, als er sich Herrn Koffer zugesellte.